Nie wieder ist jetzt. Wir werden nie zulassen, dass Menschen aus diesem Land vertrieben werden, weil sie ausländische Wurzeln haben, sie sich für andere Menschen einsetzen oder sonst wie nicht in das menschenverachtende Weltbild von Rechtsextremisten passen . Wir stellen uns schützend vor unsere Freundinnen und Freunde, vor unsere Nachbarinnen und Nachbarn, vor unsere Arbeitskolleginnen und -kollegen. Ich bin glücklich darüber, dass unser Landtag vergangene Woche einstimmig eine Resolution verabschiedet hat, die sich gegen Rechtsextremismus und Terror wendet und für Toleranz und Weltoffenheit plädiert. Einstimmigkeit, das ist bei uns in Schleswig-Holstein bei diesem Thema möglich, weil in unserem Landtag seit der Landtagswahl 2022 ausschließlich demokratische Parteien vertreten sind. Wir treten gemeinsam ein für eine wehrhafte Demokratie, für ein vielfältiges Land und treten Demokratiefeinden und Vertreibungsplänen entschieden entgegen. Die bekanntgewordenen Deportationspläne sind ein klarer Angriff auf unsere Freiheitlich-Demokratische Grundordnung. Nie wieder ist jetzt! Nun können wir beweisen, was wir an der Stelle unserer Eltern und Großeltern getan hätten. In diesem Zusammenhang möchte ich an ein Zitat von Erich Kästner erinnern:
„Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat.“
Das ist die Lehre, das ist das Fazit dessen, was uns 1933 widerfuhr. Das ist der Schluss, den wir aus unseren Erfahrungen ziehen müssen, und es ist der Schluss meiner Rede. Drohende Diktaturen lassen sich nur bekämpfen, ehe sie die Macht übernommen haben.
Der schleswig-holsteinische Landtag ist in der vergangenen Woche das erste Mal im Jahr 2024 zusammengetreten. Auch in diesem Monat möchte ich Euch auf dem Laufenden halten und Ihnen meine Tops und Flops der Landtagssitzung präsentieren:
Tops:
Eine Gesellschaft, in der nicht frei und unbeobachtet kommuniziert werden kann, ist keine freie Gesellschaft. Das hat auch die Regeirungskoalition erkannt und hat mit ihrem Antrag zum rechtsstaatlichen Schutz unserer Kinder im Netz statt Chatkontrolle einen der seltenen Anträge formuliert, dem wir zustimmen können. Denn auch die Bedürfnisse der Strafverfolgung können in einer freien Gesellschaft nicht schrankenlos erfüllt werden. Warum ist ein Chat weniger schützenswert als ein Brief? Ist es die physikalische Barriere des Umschlages? Das postulierte Ziel der EU-Kommission, die Kommunikation von hunderten von Millionen Menschen auf illegale Inhalte zu durchsuchen, ohne zu sehr in deren Privatsphäre einzugreifen dürfte so erfolgversprechend sein, wie ein Omelett zu machen ohne Eier zu zerschlagen.
Europapolitische Bildung ist Bildung gegen Rechtsextremismus. Auch wir begrüßen die europapolitische Bildung in Schulen im Vorfeld der Europawahl am 9. Juni 2024. Europa ist das Friedens- und das Demokratieprojekt, das uns allen schon so viele Jahrzehnte Sicherheit und Wohlstand beschert, uns Zuversicht gibt, uns Mut macht für die Zukunft. Es bleibt wichtig, mit Schülerinnen und Schülern über Europa zu sprechen, übrigens nicht nur im Vorfeld einer Europawahl. Deshalb ist es notwendig, den Europaschulen, die hervorragende Arbeit leisten, mehr Förderung zukommen zu lassen. Die Zukunft liegt in Europa, die Zukunft liegt in den Händen und Köpfen der jungen Menschen in Europa.
Flops:
Der erste Preis für rückwärtsgewandte Politik geht an die Landesregierung. Die schwarz-grüne Landesregierung hat während des gesamten Prozesses des Gesetzes zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften nicht erklären können, weshalb Bürgerbeteiligung so störend für die kommunalen Räte sein sollen. 20 Bürgerbegehren pro Jahr stehen zehntausenden Entscheidungen der kommunalen Räte pro Jahr gegenüber – und das scheint schwarz-grün noch zu viel zu sein. Wer nun in einer Gemeinde mit einer überstarken oder sogar nur einer einzigen Fraktion lebt, hat durch schwarz-grün nun de facto weniger Beteiligungsrechte als andere. Allein die Möglichkeit eines Bürgerentscheides hat in der Vergangenheit mancherorts die Dialogbereitschaft erheblich gesteigert. Ein nun mögliches Volksbegehren kann schwarz-grün im Landtag zum Glück nicht so einfach mit 2/3 unterbinden. Da die Landesregierung auch nach Übergabe und Annahme der Volksinitiative an und durch den Landtag resistent gegen bessere Argumente geblieben zu sein scheint, muss der Weg bis zum Volksentscheid wohl konsequent zu Ende gegangen werden.
Neue Investitionen in die Atomenergie sind gegen die Interessen von Schleswig-Holstein. Das hat die CDU leider noch immer nicht erkannt. Im Jahr 2000 wurde der Atomausstieg durch Rot-Grün beschlossen. 2010 haben dann CDU und FDP den Ausstieg aus dem Ausstieg beschlossen, nur um dann ein Jahr später wieder eine Kehrtwende hinzulegen. 2022 wollte die CDU dann doch wieder die Verlängerung der Laufzeit. Laut des aktuellen CDU-Grundsatzprogramms sollen es nun Kernkraftwerke der 4. und 5. Generation richten. E.ON-Chef Birnbaum sagte dazu Anfang dieses Jahres: „Die Messe für Atomkraft ist gelesen.“. Nun nehmen Christdemokraten ja gerne Wirtschaftskompetenz in Anspruch, die sie uns absprechen. Nun auch die Wirtschaftlichkeit spricht eine deutliche Sprache: In Großbritannien kostet der Ausbau der Kernkraft pro Megawatt installierte Leistung ca. 16 Mio. Euro, während Windenergie auf ca. 1 bis 1,5 Mio kommt. Und da sind Endlagerkosten etc. noch gar nicht eingerechnet. Ähnlich wie für die Sozialdemokratie galt in den vergangenen Jahrzehnten mit Angela Merkel des Öfteren: Erst das Land, dann die Partei. Eine Partei mit diesem Selbstverständnis geht in die Verantwortung. Sie stellt die eigenen Interessen zurück und das Wohl des Landes nach vorn. Diese Qualität verschwindet in der CDU gegenwärtig zugunsten von billigem Opportunismus. Auch hier in Schleswig-Holstein sprechen sich CDU-Politiker ebenfalls für ein Wiederaufleben der Atomkraft aus. Für ein paar billige politische Punkte spielt die CDU mit der wirtschaftlichen Zukunft unseres Landes. Die Landesregierung sollte sich stattdessen voll auf den Ausbau der Erneuerbaren konzentrieren.
Herzlichst
Ihr Kai Dolgner
Übrigens: In diesem Video vergangener Woche greife ich einen Teil der Landtagswoche noch einmal auf.