Der Landtagsnewsletter & Meine Tops und Flops der vergangenen Sitzungswoche

 

Liebe Leserinnen und Leser,

wir leben in unruhigen und schwer vorhersehbaren Zeiten. Steile Behauptungen sind offenbar erfolgreicher als eine faktenorientierte Politik. Und dafür brauche ich nicht einmal in die USA zu gucken, wo mit atemberaubender Geschwindigkeit die mächtigste Demokratie der Welt demontiert wird, ohne dass die Begründungen auch nur den ersten Realitätscheck bestehen würden.

Die große Wahlkampflüge des Friedrich Merz, man könne die Steuern flächendeckend senken, die Infrastruktur modernisieren und Europa auch ohne die Unterstützung der USA abwehrbereit machen und all das ohne eine Reform der Schuldenbremse, hat sich schneller in Luft aufgelöst, als ihm wohl selbst lieb sein konnte. Dass es im neuen Bundestag keine 2/3 Mehrheit der Mitte mehr gibt, ist vor allem seiner Fehlkalkulation zu verdanken, er könnte der AfD Stimmen abjagen, indem er im Bundestag einen zwar in der Sache folgenlosen, sich aber an AfD-Positionen anbiedernden Antrag mit Stimmen der AfD zur Mehrheit verhilft. Die Effekte lassen sich gut an den Wählerwanderungen ablesen. Die AfD hat massiv Stimmen von der Union dazugewonnen und SPD und Grüne haben Stimmen an die Linke verloren, weil die sich glaubhaft als einzige Partei positionieren konnte, die einen Kanzler Merz, der die Brandmauer zumindest beschädigt hat, nicht mitwählen würde. Diese Stimmen fehlen nun im neuen Bundestag, um mit Ruhe und Sorgfalt die Schuldenbremse zu modifizieren.

Ich persönlich begrüße zwar, dass es gelungen ist, die Schuldenbremse im Grundgesetz noch mit dem alten Bundestag und dem Bundesrat zu ändern, aber dass sich viele Unionswähler*innen hinter die Fichte geführt fühlen, kann ich verstehen.

Ich bin übrigens immer noch der Meinung, dass schuldenfinanzierte Zukunftsinvestitionen nach wie vor nur die zweitbeste Möglichkeit sind. Angesichts des massiven Anstieges der privaten Vermögen der Superreichen über alle Krisen hinweg, wäre es fairer und nachhaltiger auch diese an dem Erhalt der Stabilität unserer Gesellschaft stärker zu beteiligen. Ist es doch diese bisherige Stabilität seit 1945, die den Aufbau dieser Vermögen erst ermöglicht hat.

 

Der schleswig-holsteinische Landtag hat natürlich weiter gearbeitet, daher möchte ich Dich auf dem Laufenden halten, indem ich Dir meine Tops und Flops der letzten Landtagssitzung präsentiere. Leider mit zeitlicher Verzögerung, weil ich eine sehr interessante Dienstreise mit dem Ältestenrat in alle drei baltischen Staaten machen durfte. Die Bedrohung durch Russland und die Verunsicherung durch die US-Außenpolitik ist dort überall spürbar und lässt unsere alltäglichen politischen Themen verblassen.

 

TOPS:

Wir fordern einen Klimapakt, um die ambitionierten Ziele der Landesregierung für alle sozial verträglich zu machen. Gemeinsam mit Wohnungswirtschaft und Mieterbund reichten wir schwarz-grün die Hand, um das Erreichen der Klimaneutralität bei Wohngebäuden bis 2040 ohne schwere Belastungen für Mieterinnen und Mieter sowie Eigentümer von selbst bewohnten Immobilien zu erreichen. Wir haben damit auch als Oppositionspartei gemeinsam mit der SSW-Fraktion gezeigt, dass wir an einer realistischen und pragmatischen Lösung zugunsten der Menschen in Schleswig-Holstein interessiert sind. Leider beweist schwarz-grün wieder einmal, dass die Landesregierung grundsätzlich unsoziale Politik weiter hinnehmen will und die Mieterinnen und Mieter in diesem Land allein lässt. Unser Antrag wurde abgelehnt, der schwarz-grüne Antrag beinhaltet, dass alternativ bereits stattgefundene, bedeutungslose Gesprächsrunden ohne jede Verpflichtung fortgeführt werden sollen. Die Günther-Regierung ist an tragfähigen Lösungen nicht interessiert und wälzt die finanziellen Verpflichtungen für ihre Klientelpolitik auf Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen ab. Diese Ignoranz wiegt schwer und wird für sozialen Sprengstoff sorgen. Bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin kämpfen unsere Genoss*innen gerade für bessere Lösungen, die Mieter*innen nicht alleine lassen

Kiel braucht die Stadtbahn. Auch die Menschen im Kreis Rendsburg-Eckernförde können davon profitieren. Es gibt sogar einen „Letter of Intent“ des Ministerpräsidenten mit dem Oberbürgermeister Ulf Kämpfer zur Stadtbahn und die Günther-Regierung lässt einen glauben, dass sie die Stadtbahn unterstützen würde. Schaut man aber genau hin, dann hintertreibt die Günther-Regierung das Projekt. Während der Verkehrsminister die Bedeutung des Projektes betont, kämpft sein eigener Verkehrsstaatsekretär in seiner Eigenschaft als Kieler CDU-Chef dagegen. Den Vogel abschießt tut jedoch Günthers rechte Hand, der Chef der Staatskanzlei Schrödter: In seiner Eigenschaft als Kieler CDU-Mitglied sagt er auf dem Kreisparteitag das, was mein Ministerpräsident da im „Letter of Intent“ unterschrieben hat, könne quasi gar nicht eintreten, weil die Finanzierung durch das Land zu unsicher sei.

Wir stehen zu unserem Wort und setzen uns weiterhin für eine Mitfinanzierung von Bund und Land ein, anders als die unseriös agierende Günther-Regierung.

Fakt ist: Die Stadtbahn wird für einen emissionsfreieren und stauärmeren Verkehr sorgen – das sollte die Günther-CDU nun auch endlich erkennen. Statt die Stadtbahn zu sabotieren, sollten er und sein Verkehrsminister sich lieber für eine verstärkte Förderung aus den neuen Infrastrukturmitteln des Sondervermögens einsetzen, bevor noch mehr Geld in Ortsumgehungen in Bayern geht.

 

Wir übernehmen Verantwortung für den Tierschutz. Tatsächlich konnten wir dieses mal auch schwarz-grün dafür gewinnen, sogar alle im Landtag vertretenen Fraktionen. Mit der Pflicht zur Kastration, Kennzeichnung und Registrierung von Freigängerkatzen zeigen wir Verantwortung und erfüllen damit die Forderung und Bitten gleich mehrerer Verbände. Die Umsetzung der Katzenschutzverordnung wird selbstverständlich evaluiert und gegebenenfalls nachgebessert. Wir danken an dieser Stelle den Tierheimen und Tierschutzverbänden, welche diese Arbeit in den letzten Jahren übernommen haben.

 

FLOPS

 

Quasi-Berufsverbot für Fischer. Der Aktionsplan Ostsee sieht unter anderem die Ausweisung von Nullnutzungsgebieten für die Fischerei vor. Der Landesfischereiverband Schleswig-Holstein äußerte daraufhin massive Bedenken: Die geplanten Schutzzonen könnten das Aus für die traditionelle Ostseefischerei bedeuten, da wichtige Fanggebiete wegfallen würden. Ziel sollte es eigentlich sein, Maßnahmen zu ergreifen, welche die Existenz der Fischereibetriebe sicherstellen. Tatsächlich wurde mit anderen Branchen Kompromisse getroffen, aber für die Fischer nicht. Etwaige  Alternativvorschläge des Landesfischereiverbandes wurden von der Günther-Regierung monatelang ignoriert, zuvor ist im Ausschuss deutlich geworden, dass schwarz-grün nichts ändern will. Die SPD-Fraktion fordert, die Einwände und Lösungsvorschläge der Fischerei ernst zu nehmen. Die Entscheidung könnte wegweisend dafür sein, ob Meeresschutz und Fischerei auch in Zukunft gemeinsam bestehen könnten.

Die Fischereibetriebe fürchten um ihre Existenz, Daniel Günther und seiner Regierung ist das egal, uns nicht.

 

Die Landesregierung weiß gar nicht so genau, was da an den Schulen in Punkto Schulbegleitung eigentlich passiert und wer da eigentlich tätig ist. Im Jahr 2014 haben die Kreise und kreisfreien Städte in Schleswig-Holstein rund 27 Millionen Euro für die Schulbegleitung ausgegeben. 2022 waren es schon fast 120 Millionen Euro. In der Amtszeit von Bildungsministerin Prien, also seit 2017, hat sich die Anzahl der Kinder und Jugendlichen mit einer Schulbegleitung verdreifacht. An manchen Schulen werden Schulbegleitungen aus Platzgründen nicht mehr in die Klassen gelassen. In manchen Kreisen gibt es Elterninitiativen, die die betroffenen Kinder lieber an Förderzentren beschult sehen wollen. Ein Gutachten von 2021 hatte unter anderem festgestellt, dass gut informierte Eltern aus der Mittelschicht Schulbegleitung für ihr Kind beantragen, während die Beantragung dieser Leistung für sozial schwächere Familien häufiger eine Hürde zu bilden scheint. 2021 war übrigens auch der Zeitpunkt, zu dem das Gutachten den Landtag erreichte. Das Bildungsministerium kennt die Ergebnisse seit 2019. Seit sechs Jahren! Und seitdem ist nichts passiert. Es darf nicht mehr sein, dass ein polizeiliches Führungszeugnis als Qualifikation ausreicht und zuweilen nicht einmal das abgefragt wird. Es darf nicht mehr sein, dass Menschen in prekären Arbeitsbedingungen an der Zukunft unserer Kinder arbeiten.

 

Schwarz-grün will Alleinerziehende steuerlich nicht weiter entlasten. Nicht alles kann diesbezüglich hier im Land geregelt und gelöst werden, aber definitiv mehr, als diese Landesregierung vorgibt zu tun. Erstens: Ausreichende, bezahlbare – wenn es nach uns geht am besten kostenlose -Kinderbetreuungsangebote. Gut ausgebildete und motivierte Fachkräfte, damit nicht wegen Personalmangel geschlossen werden muss. Zweitens: Bezahlbare Wohnungen, nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem Land. Drittens: Einen gut ausgebauten ÖPNV, damit Kita, Schule und Arbeit erreicht werden können – denn oft reicht es bei Alleinerziehenden gerade nicht mehr für ein Auto. Viertens: Gute Arbeitsplätze mit guten Tariflöhnen, damit das Geld dann auch zum Leben reicht und man nicht aufstocken muss. Wir Sozialdemokraten finden es wichtig, insgesamt die Besteuerung von Familien zu reformieren, und zwar unter Berücksichtigung bereits getroffener Lebensentscheidungen. Das umfasst dann auch eine Reform des Ehegattensplittings und die Umwandlung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende in einen Abzug von der Steuerschuld.

 

Herzlichst

Kai Dolgner